SPD Wernau

Zum 8. März; Gleichberechtigung in Entwicklungsländer voranbringen

Veröffentlicht am 13.03.2012 in Bundespolitik

Rede von Karin Roth (Esslingen) (SPD) im Bundestag:

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Es ist erfreulich, dass wir in diesem Parlament dazu in der Lage sind, am heutigen Internationalen Frauentag mit dem Blick nach außen eine gemeinsame Strategie und gemeinsame Forderungen festzulegen. Ich danke deshalb meinen Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen sehr dafür, dass sie gemeinsam mit dem Bündnis 90/Die Grünen und der SPD heute einen Antrag zur Gleichberechtigung der Frauen in denEntwicklungsländern vorlegen.

In diesem Antrag wird zu Recht darauf hingewiesen, dass 70 Prozent der Armut in den Entwicklungsländern weiblich ist. Das heißt, dass das, was wir heute auch für unser Land konstatieren – wir beklagen immer noch,
dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ nicht gilt und dass der Zugang von Frauen zu höheren Positionen in unserem Land nicht möglich ist –, in verschärftem Maße natürlich gerade auch für Frauen in Entwicklungsländern und insbesondere für Frauen in Schwellenländern gilt. Da reicht eine Reise nach Tunesien nicht aus, um zusagen, dass man unter Berücksichtigung der Scharia ja ein bisschen weitergekommen ist. Ich glaube, das ist ein bisschen zu wenig für die
Gleichstellungspolitik, die wir hier wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei
Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN). Wir wollen die Gleichstellung von Frauen überall: politisch, sozial und wirtschaftlich. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir in diesem Antrag deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass der Zugang der Frauen in die Politik, in die Verwaltung und in die Justiz Vorrang haben muss und dass wir vor allem besondere Regelungen brauchen. Ich weiß, dass sich einige Männer in den Koalitionsfraktionen schwergetan haben, weil das Thema Quote natürlich ein Reizthema ist – keine liberale Selbstverständlichkeit, versteht sich.
Daher haben wir uns darauf geeinigt, das so zu formulieren. Ich bin dankbar dafür, dass man anerkennt, dass es ohne eine Frauenquote nicht geht; das gilt sowohl für die Wirtschaft wie für die Politik. Für uns, die Sozialdemokraten, steht natürlich fest, dass die Frauenquote notwendig ist, um die gläserne Decke zu durchbrechen.
Anders geht es nicht, meine Damen und Herren, vor allen Dingen liebe Kolleginnen und Kollegen; das wissen wir. Es geht um Macht, es geht um Einfluss. Jawohl, wir Frauen wollen Einfluss, wir Frauen wollen Macht, auch in diesem Parlament. Ich freue mich, dass wir uns auch darüber verständigt haben, Gewalt gegen Frauen in den Entwicklungsländern nicht nur nicht zu akzeptieren, sondern sie auch anzuprangern und durch Programme zu bekämpfen. Wenn man sich unseren Antrag anschaut, sieht man, was wir wollen: zum Beispiel vonseiten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen Gender-Aktionsplan, der mit der Europäischen Union abgestimmt ist, damit wir die
Frauen in den Entwicklungsländern in allen Bereichen, in der Wirtschaft, in der Politik, gemeinsam voranbringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP). Offensichtlich hat dieses Thema, Gender, eine besonders aggressiv machende Wirkung, insbesondere bei Männern der Koalition. Herr Brüderle, dass Sie sich überhaupt hierherwagen, ist eine unglaubliche Geschichte. (Rainer Brüderle [FDP]: Steinmeier ist ja auch da!) Ich habe mir sagen lassen, dass Herr Kauder und Sie nicht bereit waren, eine Gender-Strategie mitzutragen, weil Gender etwas ist,
was man eigentlich nicht versteht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Roth, wenn es so wäre, würde das aber sein Recht des Zutritts zum Plenarsaal nicht aushebeln.(Heiterkeit)
Herr Präsident, ich schlage vor: Denken Sie über ein solches Verbot nach. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Frau Bär, Sie haben gesagt, Sie wollten in 2013 nicht noch einmal eine Rede halten müssen, in der Sie Gleiches beklagen müssten. Ich gebe Ihnen recht. Ich bin sicher,dass die Kolleginnen in den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP in den nächsten
zwölf Monaten noch viel Überzeugungsarbeit leisten werden, um die Herren ihrer Fraktionen und ihrer Parteien davon zu überzeugen, dass Gender bedeutet, dass Frauen überall den gleichen Zugang zu allen Positionen, zu allen Möglichkeiten in Schule, Beruf und Ausbildung usw. haben. Wenn sie das nicht wollen, dann kann man ihnen nicht helfen. Aber dann müssen sie wirklich darüber nachdenken, ob sie eigentlich noch auf der Höhe der Zeit sind. Ich würde sagen: Das sind sie nicht.(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN).
Jetzt zum guten Schluss. Wir haben im Bereich der Entwicklungspolitik gemeinsam sehr viel vor. Ich muss sagen: Eines hat mich ein bisschen gestört, nachdem ich den Antrag 17/8903 heute Morgen auf meinen Schreibtisch bekommen hatte. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, ich danke Frau Pfeiffer und Frau Wöhrl und ich danke Frau Dr. Christiane Ratjen-Damerau dafür, dass sie diesen Antrag unterschrieben haben. Normalerweise müssten Sie, Herr Brüderle, Herr Kauder und Frau Hasselfeldt es sein, die einen solchen Antrag unterschreiben; aber sie haben es nicht getan. Das ist schade; das ist zu bedauern. Wir lassen uns aber nicht auseinanderdividieren. Dieser Antrag ist so gut, dass er umgesetzt werden muss. Ich gehe davon aus, dass uns dieses Parlament in dieser Frage unterstützt, damit wir in der Entwicklungspolitik einen Schritt weiterkommen.